Die wunderbare Zeitvermehrung

Und er sah eine große Menge Volkes,

die Menschen taten ihm Leid, und er redete

zu ihnen von der unwiderstehlichen Liebe Gottes.

 

Als es dann Abend wurde, sagten seine Jünger:

Herr, schicke diese Leute fort,

es ist schon spät, sie haben keine Zeit.

 

Gebt ihnen doch davon, so sagte er,

gebt ihnen doch von eurer Zeit!

 

Wir haben selber keine, fanden sie,

und was wir haben, dieses wenige,

 wie soll das reichen für so viele?

 

Doch war da einer unter ihnen, der hatte wohl

Noch fünf Termine frei, mehr nicht, zur Not,

dazu zwei Viertelstunden.

 

Und Jesus nahm, mit einem Lächeln,

die fünf Termine, die sie hatten,

die beiden Viertelstunden in die Hand.

Er blickte auf zum Himmel, sprach

Das Dankgebet und Lob,

 

dann ließ er austeilen die kostbare Zeit

durch seine Jünger an die vielen Menschen.

 

Und siehe da: Es reichte nun das wenige für alle.

Am Ende füllten sie sogar zwölf Tage voll

Mit dem, was übrig war an Zeit,

das war nicht wenig.

 

Es wird berichtet, dass sie staunten.

Denn möglich ist, das sahen sie,

Unmögliches bei ihm.

 

                                                Lothar Zenetti

 

 

In der Fastenzeit erinnern wir uns an die Befreiung aus beengenden Verhältnissen und an unsere Freiheit der Entscheidung: Mein Ja oder Nein zu einer Aufgabe, Anfrage, Begegnung, zu einem Wunsch, zu meiner Sehnsucht.

In geschenkten Augenblicken, Viertelstunden, Stunden oder Tagen wollen wir versuchen, die Quellen unserer Lebenskraft wieder zu ent-decken,

 Der hl. Benedikt schreibt in seiner Regel dazu:

So möge jeder (und jede) über das ihm zugewiesene Maß hinaus aus eigenem Willen in der Freude des Heiligen Geistes Gott etwas darbringen (RB 49,6).

Die Freiheit, unsere Zeit zu gestalten, erleben wir unterschiedlich. Ich erinnere mich an meine Freiheit und Verantwortung im Maß einer kleinen Viertelstunde:

Eine Viertelstunde „einfach nur Da-Sein“- in der Natur, an einem guten Ort. Eine Viertelstunde für Stille vor Gott, eine Viertelstunde für eine Freundin, einen Kollegen, einen Menschen, der mich etwas fragt und ich nehme mir noch ein wenig Zeit darüber hinaus.

Mein Tag hat viele kleine „Viertelstunden-Räume“, ob ich das übersehe oder wahrnehme – und manchmal wird mir noch viel mehr dazu geschenkt:

Priorin Immanuela Friederike Popp, Communität Casteller Ring