Muß man beten?

 

 

Beten... Muß man, soll man, kann man, darf man? Bringt Beten etwas? Für wen? Für Gott, für mich, für die anderen?

Und dann: Ist es nicht ein ungeheuerlicher Anspruch zu beten?. Was läßt mich hoffen, Gott, der Schöpfer Himmels und der Erde, werde gerade auf mich hören, sich ausgerechnet für mich interessieren?

Fangen wir mit der ersten Frage an. Wenn wir miteinander sprechen, wollen wir einander entweder über etwas „informieren“ („morgen gehe ich ins Kino“) oder einander dazu  motivieren, etwas zu tun („hilf mir“). Beides kommt bei Gott letztlich nicht in Frage: Wir können ihm nichts sagen, was er nicht sowieso schon wüßte, und wir können ihn durch unser Gebet zu nichts veranlassen, was er nicht auch ohne uns tun würde.

Also „bringt“ Beten nichts? Nein, nicht wenn man Gott als eine Möglichkeit unter anderen benutzt, um die Dinge in den Griff zu kriegen. Aber ist das überhaupt der Sinn von Gebet? Noch einen Schritt weiter: Geht es überhaupt darum, daß ich rede und Gott (vielleicht) antwortet oder geht es nicht viel eher darum, daß ich antworte - endlich einmal antworte?

Menschliches Gebet ist in der Beziehung zwischen Gott und Mensch immer der zweite Schritt, es ist Antwort auf ein längst ergangenes Wort. Gott spricht zu mir täglich, stündlich, jeden Augenblick:  in der Bibel, in der Schönheit und Schrecklichkeit der Welt, in den Menschen und Ereignissen, die mir begegnen. Nur ich antworte selten, weil ich sein Wort nur selten wirklich höre. Eigentlich aber sollte unser ganzes Leben Gebet sein, denn Gott spricht in allem.

Aber Beten ist schwierig. Wir spüren, dass alles, was wir sagen, nicht wirklich ausdrückt, was wir sind und worauf unsere Sehnsucht im Tiefsten zielt. Wir fragen uns: Was wollen wir eigentlich? Was ist unser entscheidendes Anliegen? und finden nicht immer eine Antwort, geschweige denn die richtigen Worte. Hinzu kommt, dass wir, wenn wir versuchen unsere Gedanken auf Gott zu richten, schnell merken, daß wir weder wissen,  wie man Gott anspricht noch worüber man mit ihm sprechen sollte. Wir müssen wie die Jünger zu Jesus sagen: "Herr, lehre uns beten" (Lk 11,1) und dann sein Beten nachsprechen wie ein Kind die Worte der Mutter. Daher ist das Vaterunser für uns Christen der Maßstab all unseres Betens, mit ihm beten wir, wie Jesus uns gelehrt hat.

Beten zu dürfen ist ein Vorrecht, keine Pflicht. Man sollte immer wieder einmal im Gebet dafür danken, daß man beten darf.

Äbtissin Christiana Reemts, Abtei Mariendonk