Karfreitag

Aus einer Karfreitagsbetrachtung aus dem 4. Jahrhundert

Vollbracht ist für uns nun der Fastenkampf. Er hörte auf am Kreuz. Wo anders hätte der Sieg seine Vollendung finden sollen, als am Siegeszeichen Christi? Denn Christi Siegeszeichen ist das Kreuz. Wenn ich auch noch unzähliges andere über Christus sagen könnte, so rühme ich mich dessen nicht so wie des Kreuzes.

Was ist also heute geschehen? Es war bereits Dämmerung und eben gegen Morgen zu, da wird Jesus in das Prätorium des Pilatus geschleppt, mit gefesselten Händen. Was sind das für Hände? Sie haben Blinde geheilt, Lahme gesund gemacht. Mit Fesseln umwunden waren die Finger, die Augen gebildet hatten. Der Pfleger der Natur ward festgehalten, damit er nicht sein eigenes Kunstwerk vollenden könne. So wird dem Herrn vergolten. Gebunden ward er, der die Wasser im Gewölk bindet, der Gefangenen Freilassung schenkt. Gebunden ward, der Lazarus aus den Banden des Todes befreite. Dem Pilatus ward vorgeführt, der den Himmel zum Thron hat. Ergriffen und festgehalten wurde der Schöpfer von seinen Geschöpfen, der Bildner von seinem Gebilde, der Werkmeister von seinem Werk.

Es wartete also auf das Gericht der Richter der ganzen Welt. Und Menschen saßen zu Gericht; Gott aber stand; er stand und schwieg; an den Vortüren der Menschen stand der Herr über die Himmelspforten. Jesus schwieg, nicht weil das Wort um das Wort verlegen gewesen wäre, sondern um nicht durch die Antwort den Siegeskranz des Kreuzes preiszugeben.

Pilatus sprach: „Ich finde keine Schuld wider ihn”. Nicht nur du, Pilatus, sondern auch nicht die Juden, aber auch nicht die Blinden und die Toten, nicht Sonne und Mond, nicht das Weltall und nicht alle Gerechten, Propheten und Martyrer! Sagt doch einer ihrer Propheten: „Er tat keine Sünde, und in seinem Mund ward kein Trug erfunden”. Alle stimmen mit Pilatus überein und geben so ein gerechtes Urteil ab.

„Da erwiderten ihm die Juden: Wir haben ein Gesetz, und nach unserem Gesetz muss er sterben!”. Welches Gesetz? Durch welche Sprüche wird es bestätigt? Vielleicht durch die, die heute gelesen wurden: „Wie ein Schaf ward er zur Schlachtung geführt, und wie ein argloses Lamm, das stumm bleibt vor seinem Scherer, so öffnet er seinen Mund nicht. Wegen der Missetaten meines Volkes wurde er zum Tode geführt”.

Pilatus ging ins Prätorium hinein und kam heraus mit Jesus, der eine Krone trug und mit einem Purpurmantel bekleidet war. Er zeigt ihnen den Feind, der nunmehr eine Krone trug, mit einem Königsgewand bekleidet war. Was geschehen war, beruhte auf Übermut, war indes eine Anspielung auf das natürliche Königtum.

„Hinweg, hinweg, kreuzige ihn!” - „Wollt ihr, dass ich euren König kreuzigen soll?” - „Wir haben keinen König” sagen sie, „als den Kaiser”. Ihr habt keinen König als den Kaiser? Wer hat euch denn in der Wüste geführt, oder wer gab euch zu essen? Wen verkündet Moses, wenn er sagt: „Der Herr ist König für alle Zeit und immerdar”. Nachdem ihr also euren König verleugnet habt, bleibt künftig ohne König und schleppt das Joch der Knechtschaft.

Er erhielt Backenstreiche, wurde angespien, geschlagen, gegeißelt. Doch keineswegs mußte er sich dessen schämen. Stelle dich zu Jesaja und betrachte Gott mit dessen Augen! Was sagt er denn? „Wir sahen ihn, und er hatte nicht Gestalt noch Schönheit. Vielmehr war seine Gestalt unansehnlich, mangelhaft im Vergleich zu den Menschenkindern“. Nicht Schönheit noch Gestalt hatte der Meister aller Schönheit. „Ein Mensch, geschlagen und geübt, Schwachheiten zu ertragen”. Als Mensch, nicht als Gott. Denn es war der Mensch, der geschlagen wurde, nicht Gott. Wer ist nun dieser Vielgeplagte, der schmerzensreiche Spielball aller? Leidet er nicht etwa sogar mit Recht, was er leidet? „Dieser trägt unsere Sünden und leidet um unseretwillen“. „Durch seine Striemen wurden wir geheilt”.

„Es wurden aber auch zwei andere Missetäter mit ihm hinausgeführt”. „Gedenke meiner”, sagte der eine, „wenn du in dein Königreich kommst”. Welche Macht besass Jesus! Der Räuber ist nunmehr ein Prophet, der vom Kreuz herab ausruft: „Gedenke meiner, Herr, wenn du in dein Königreich kommst!” Was siehst du denn von einem König, Räuber? Backenstreiche, Speichel, Nägel und das Kreuzesholz und die Spottreden der Juden und nun die entblößte Lanze der Soldaten. Doch, sagt er, ich sehe nicht das Sichtbare. Ich sehe wie die Engel ringsum stehen, die Sonne entweicht und der Vorhang zerreißt, wie die Erde zittert, wie Tote zu entweichen streben. Jesus aber nimmt alle auf, auch die Propheten, die um die elfte Stunde kommen wie die Arbeiter und gibt ihnen den nämlichen Denar. „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir heute wirst du mit mir im Paradies sein”. Ich habe dich vertrieben, ich führe dich hinein, ich, der die Pforten des Paradieses verschloss, der es mit einem feurigen Schwert ummauerte. Wenn ich nicht hineinführe, bleiben die Pforten verschlossen. Komm her, Räuber! Du hast den Teufel beraubt und hast gegen ihn die Krone gewonnen; du hast einen Menschen gesehen und ihn als Gott angebetet; du hast die vormaligen Waffen weggeworfen und die Waffen des Glaubens ergriffen.

Während alles geheiligt wurde, als die Doppelquellen von Blut und Wasser sich ergossen, da vollbrachte Jesus seine Aufgabe. „Vater, vergib ihnen” die Sünde! „Vergib” wem? Griechen, Juden, Fremden, Barbaren, einfach allen. Er sagt es von jedem Volk und sagt es immerdar, und wer will, empfängt Vergebung.

Bleiben wir daher nüchtern und wachsam, damit wir mit den himmlischen Heerscharen zusammen das Fest feiern können, in Christus Jesus unserem Herrn, dem die Ehre sei und die Macht jetzt und immerdar und in alle Ewigkeit. Amen.

Übersetzung bearbeitet : Abtei Mariendonk