Die Tischlesung

 Der klösterliche Brauch der Tischlesung bleibt eine regelmäßige geistliche Stärkung: während wir Schwestern in Ruhe essen, machen für uns Mitschwestern Tischdienst und eine von uns liest: so wird auch die Seele gesättigt.

 Benedikt beschreibt im 38. Kapitel der Regula die Feinheiten:

Beim Tisch der Brüder darf die Lesung nicht fehlen. Es herrsche größte Stille. Kein Laut oder Flüstern sei zu hören, nur die Stimme des Lesers. Was die Brüder beim Essen und Trinken brauchen, sollen die Brüder einander so reichen, dass keiner um etwas bitten muss.

 Wir nennen mittags bei Tisch die Gedenktage der Heiligen und besondere Tage aus der Geschichte unserer Gemeinschaft, dazu hören wir dann Lebenslauf oder Chronikblätter.

Am 1. Advent beginnen wir mit dem Verlesen unserer eigenen Chronik, die immer von Advent zu Advent fortgeschrieben wird, danach folgen ausgewählte Chroniken benediktinischer Klöster und evangelischer Kommunitäten.

Über 6-8 Wochen hinweg ist es möglich ein ganzes Buch gemeinsam zu lesen und zu hören, so sammeln wir einen gemeinsamen Schatz von Büchern.:

 Unsere jüngste Schwester, Sr. Anja erzählt aus ihren Erfahrungen:

„Anfangs erschien die Gleichzeitigkeit von Einleben, Wahrnehmen, Essen und Zuhören als große Herausforderung im kleinen Klosteralltag. Der Strom der Worte schien nicht aufzuhören. Bei der Arbeit, im Stundengebet, bei Tisch. Bewusstes Essen, einmal ungeteilte Aufmerksamkeit ,damit Leib und Seele gut beieinander bleiben können. Hält die Tischlesung mich davon ab oder verhilft sie mir zu genau der Ruhe zu kommen, die in der Mitte des Tages ihren Platz einnehmen will?

Egal wie ich da bin, die Worte sind da und haften in mir. So unterschiedlich die Bücher, so unterschiedlich die Berührungspunkte. Die Chroniken und Berichte anderer Gemeinschaften erlauben beispielsweise ein Mitgehen, das über den Informationscharakter hinaus anhält. Die Biographie von Mechthild von Magdeburg ließ einiges von unserer verstorbenen Schwester Annemarie Mechthild Hacker aufscheinen. Die Berichte über die Sterbebegleitung haben mich auf vielerlei Weise bewegt und einmal mehr das Leben im Sterben aufgezeigt. Dagegen rufen Beschreibungen von Gewalt- und Leidenssituationen einen extremen Kontrast zum friedlichen Mittagessen hervor.

Ja, egal wie ich da bin, die Worte sind da und haften in mir. Wie kleine Haftnotizen tauchen sie manchmal wieder auf. So bleibt manches Wort, mancher Gedanke, manche Einsicht hängen und begleitet mich auf dem Weg durch den Klosteralltag.“  

Sr. Anja Waltemate CCR und Sr. Friederike Immanuela Popp CCR, Communität Casteller Ring