Umkehr

Darf ich Ihnen eine Weisheitsgeschichte eines Sufi - Lehrers vorstellen?
Er sagte einmal seinem Schüler:

„In meiner Jugend war ich Revolutionär und mein einziges Gebet zu Gott lautete: Herr, gib mir die Kraft, die Welt zu ändern.` Als ich die mittleren Jahre erreichte und merkte, dass die Hälfte meines Lebens vertan war, ohne dass ich eine einzige Seele geändert hätte, wandelte ich mein Gebet ab und bat :`Herr, gib mir die Gnade, alle jene zu verändern, die mit mir in Berührung kommen. Nur meine Familie und meine Freunde, dann bin ich schon zufrieden.` Nun, da ich ein alter Mann bin und meine Tage gezählt sind, beginne ich einzusehen, wie töricht ich war. Mein einziges Gebet lautet nun: `Herr, gib mir die Gnade mich selbst zu ändern. ` Und der Sufi fügte hinzu: Wenn ich von Anfang an darum gebetet hätte, wäre mein Leben nicht vertan.“

 Herr, gib mir die Gnade mich selbst zu ändern, oder christlich ausgedrückt:

„Herr, gib mir die Gnade, dass ich mich von Dir, von den Umständen meines Lebens verändern lasse und dabei selbst mitwirken und mitbestimmen darf“.

 Vielleicht wird dieses kleine Gebet von jedem anders formuliert, aber im Grunde ist dies doch auch eins der wichtigsten Gebete eines christlichen Lebens. Vorab in der Fastenzeit, in der wir uns immer wieder neu darauf besinnen, was uns leben lässt, was uns zur Selbstentfaltung führt nach dem Willen Gottes. Nicht die Selbstverwirklichung im Sinne eines Kreisens um sich selbst, sondern die Selbstverwirklichung streben wir an, die auf der Frage aufbaut:

 „Gott, was willst du von mir, wie hast du mich gedacht, gewollt, in Deiner Liebe vorausgeschaut“

 Positive Selbstverwirklichung kann nur ausgehen von der immerwährenden Gottsuche, soll sie nicht in eine Sackgasse des Egoismus führen.

Wenn Jesus uns zur Metanoia auffordert, so ist in dieser Umkehr sicher nicht nur die Hinwendung zu Gott und den Nächsten gemeint, sondern auch die rechte Einstellung und Annahme meiner selbst. Freilich gilt auch hier.

 „Auf Menschen, auf andere, auf mich selbst, auf alle Geschöpfe darf, soll, muss ich hören“. Aber gehören – im strengen Sinn des Wortes – darf ich nur Gott, wenn ich nicht zum Spielball werden will.

 Wer jetzt schon Gott gehört, auf dem Weg zu Gott ist, braucht sicher keine radikale Umkehr um 180 °, was er sich aber jeden Tag neu stellen muss, ist die Frage:

Will ich heute und immer, was Gott will?

Möchte ich mir mehr und mehr Gottes Willen zu eigen machen, ja oder nein?

 Und jeden Tag müssen wir dann unseren Kleinglauben überwinden, der uns vormachen will: Du glaubst doch selbst nicht daran, dass du dem Willen Gottes gerecht werden kannst, du kennst doch dich und dein Versagen.

Damit wir dieser Gefahr nicht unterliegen, damit unser Glaube und gleichzeitig unsere Hoffnung und Liebe wächst, heißt Umkehr, immer mehr daran glauben, dass Gottes Zuneigung, Freundschaft und Liebe zu uns sich nicht abhalten lässt durch unser Versagen, sondern dass unser Wunsch, unser Streben, seinem Willen zu entsprechen, auch seine Liebe, jetzt hätte ich fast gesagt, verstärkt, obwohl das natürlich nur so bei uns aussieht, uns bewusst werden lässt, dass wir geliebt werden, dass wir Gott brauchen.

Mein Wunsch wäre es, dass wir uns in dieser Fastenzeit aus der Heiterkeit des Herzens heraus, uns nicht mit unserem Fehlverhalten befassen und daraus Vorsätze entwickeln, sondern dass wir in den Blickpunkt nehmen, wie reich unser Leben ist, wie viel uns geschenkt wird und dass es in erster Linie nicht auf unsere Leistung ankommt, sondern dass wir Gott wirken lassen.

Äbtissin Petra Articus, Seligenthal